Blühflächen wurden angelegt, Totholzhaufen aufgeschichtet, Bäume gepflanzt, Lesesteinhaufen errichtet, Nisthilfen und Sitzstangen für heimische Vögel angebracht, seltene Pflanzen- und Tierarten durch eine besondere Bewirtschaftung der Felder gefördert. Und das sind nur einige der Dinge, die die Weißenseeer umgesetzt haben. Vor drei Jahren wurden dafür eigens eine eigene Abteilung für Biodiversität und Umwelt in dem Landwirtschaftsbetrieb eingerichtet. Heute kümmern sich vier Personen u.a. um diese Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen:
-
110 Hektar Blühflächen als Lebensraum und Nahrungsquelle für Insekten wurden angelegt. Für 2021 sind weitere 98 Hektar geplant.
-
145 Obstbäume und 150 Laubbäume wie u.a. Zitterpappeln, Winterlinden und Stieleichen wurden als Ruhepunkte und Nistbäume für Vögel wie den gefährdeten Rotmilan seit 2018 neu gepflanzt. Dazu kommen über 400 Kopfweidenstecklinge.
-
In den Trockenphasen der letzten drei Jahre mussten diese Neuanpflanzungen wöchentlich mit ca. 300 Liter Wasser pro Baum gegossen werden. Bis zu 20.000 Liter Wasser wurden so täglich auf das Wurzelwerk der jungen Bäume verteilt.
-
Zudem wurden in den letzten drei Jahren ca. 1.000 Kopfweiden gepflegt.
-
Stein- und Totholzhaufen wurden aufgeschichtet, um kleinen Tieren wie Eidechsen und Insekten Rückzugsorte zu geben.
-
Sitzstangen, auf denen auch größere Greifvögel wie Bussarde oder Habichte landen und nach Nahrung Ausschau halten können, wurden aufgestellt.
-
Für Singvögel, wie z.B. das Braunkehlchen wurden so genannte Singwarten aufgestellt. Auf diesen Stäben können die Vögel gut landen.
-
150 Nistkästen für verschiedene Vogelarten wie etwa den Steinkauz u.a. wurden gebaut und in der Flur verteilt.
-
Weil in der Umgebung von Weißensee der unter Artenschutz stehende Feldhamster heimisch ist, werden 32 Hektar hamsterfreundlich bewirtschaftet. Das heißt, auf diesen Flächen wird in Streifen abwechselnd eine Sommer-Getreideart wie z.B. Braugerste und eine Winter-Getreideart wie etwa Brotweizen ausgesät. Dazwischen liegt jeweils ein Blühstreifen, auf dem insektenfreundliche Blühmischungen wachsen. So findet der Feldhamster auch nach der Ernte noch genügend Deckung und einen reich gedeckten Tisch.
-
Durch eine extensive Bewirtschaftung bestimmter Feldränder, bei der der Landwirt wenig in die Natur eingreift, siedeln sich seltene und sogar bereits lange Zeit verschwundene Pflanzenarten in der Region wieder an. „Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahme“ lautet der Fachbegriff für diese Umweltmaßnahme. Sie funktioniert so: Zunächst wird eine Fläche bestimmt, auf der es in der Vergangenheit vermutlich seltene Pflanzen gab. Manchmal sind davon bis heute noch Samen in der Erde enthalten. Dieses Potenzial soll gefördert werden. Dafür sät der Landwirt dann nur ganz dünn etwas Getreide auf dem Feld aus und verzichtet in diesem Bereich auch auf Düngung und Pflanzenschutz. Da das Thüringer Becken eine Region mit historisch bedeutsamen Pflanzenvorkommen ist, konnten durch diese Maßnahmen geschützte oder vom Aussterben bedrohte Pflanzen wie der „Rote Hornmohn“, das „Rundblättrige Hasenohr“ oder auch das Adonisröschen wieder heimisch werden.
Klar ist, dass all diese Projekte nicht ohne Partner funktionieren können. Deshalb arbeitet die Agrargenossenschaft Weißensee eng mit den örtlichen Landschaftspflegeverbänden, der Unteren Naturschutzbehörde, dem Landschaftspflegeverband Mittelthüringen, der Stiftung Lebensraum, den Natura-2000-Stationen und einigen Umweltverbänden zusammen. Erkenntnisse und Wissen aus dem Natur- und Umweltschutz können so direkt in die Arbeit des Landwirtschaftsbetriebes einfließen. Eine Win-win-Situation, denn so wird der theoretische Sachverstand der Umweltexperten in der landwirtschaftlichen Praxis erprobt, die Ergebnisse gemeinsam ausgewertet und ggf. nachjustiert. Ziel ist immer die Biodiversität zu steigern und schützenswerten Arten einen Lebensraum zu geben. „Ideologische Verblendung und unsachgemäße Schuldzuweisungen finden dabei keinen Platz“, sagt Jürgen Paffen. Manche Ideen würden so auch wieder verworfen, weil sie sich im Alltag nicht bewährt hätten, ergänzt er.
Dass sich die Agrargenossenschaft Weißensee mit so viel Engagement um mehr Biodiversität bemüht, hat für Paffen einen ganz einfachen Grund:
„Wir Landwirte arbeiten seit Generationen in und mit der Natur. Ohne gesunden Boden und eine intakte Umwelt können wir langfristig keine guten Erträge erzielen und verlieren unsere Existenzgrundlage. Deshalb liegt es im ureigenen Interesse eines jeden Landwirts, sorgsam mit der Natur umzugehen und die Fruchtbarkeit seiner Böden zu erhalten“,
so der Vorstandsvorsitzende des Landwirtschaftsbetriebes. Aber, ergänzt er:
„Biodiversität muss man sich auch leisten können, denn rein betriebswirtschaftlich rechnet sich unser Bereich Biodiversität und Umwelt trotz verschiedener Förderprogramme derzeit noch nicht“.
Der Agrargenossenschaft Weißensee mit ihren insgesamt 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelingt das nur, weil sie auf rund 4.100 Hektar Ackerbau betreibt und dort durch den Anbau von verschiedenen Getreidearten, Zuckerrüben, Raps, Mais und Hopfen das Geld verdient, um ca. 425 Hektar der Betriebsfläche für Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Langfristig, davon ist Paffen überzeugt, wird mehr Biodiversität nur funktionieren, wenn die dafür notwendigen Maßnahmen nicht zu Einkommensverlusten bei den Landwirten führen, sondern durch intelligente Förderprogramme für die Bauern auch wirtschaftlich interessant sind.
Mehr erfahren über die Agrargenossenschaft Weißensee e.G.
© Fotos: Initiative Heimische Landwirtschaft | Agrargenossenschaft Weißensee e.G.