Die Gemeinde Schlöben mit etwa 1.000 Einwohnern liegt im thüringischen Saale-Holzland-Kreis. Teil der Gemeinde sind die sechs Dörfer Gröben, Mennewitz, Rabis, Schlöben, Trockhausen und Zöttnitz.
Auf den ersten Blick eine Gemeinde wie jede andere, zeichnet sich Schlöben durch eine Besonderheit aus: Die zentrale Wärmeversorgung der Einwohnerinnen und Einwohner stammt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. Mittels einer Biogasanlage, Blockheizkraftwerken und einer Hackschnitzelanlage werden bereits drei der sechs Dörfer zentral und umweltfreundlich mit Energie versorgt.
Wie die Idee für das Projekt entstanden ist und welche Rolle dabei die regionale Wertschöpfung und die Zusammenarbeit mit heimischen Landwirten spielt, darüber haben wir mit Hans-Peter Perschke (SPD), seit 1990 Bürgermeister der Gemeinde Schlöben, gesprochen.
Herr Perschke, wie ist die Idee für die Entwicklung des Bioenergiedorfes entstanden?
Nach der Wende haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie es nun in unserer Gemeinde weitergehen soll. Wichtig waren uns von Anfang an zwei Punkte: Das Thema Nachhaltigkeit und die Familienfreundlichkeit im Dorf – ganz nach dem Motto: „Wo Kinder sind, da ist ein goldenes Zeitalter“. Dieser Leitsatz von Novalis ziert auch das Gebäude unserer Grundschule.
Dabei ist nach und nach die Idee zum Aufbau eines Bioenergiedorfes entstanden. 2006 wurde dann im Gemeinderat die Entwicklung der Gemeinde zum Bioenergiedorf beschlossen. Als wesentlichen Partner konnten wir das Agrarunternehmen Wöllmisse gewinnen. Wichtig war uns bei dem Vorhaben, die Bürger der Gemeinde mit einzubeziehen.
Auch aus diesem Grund wurde drei Jahre später die Genossenschaft „Bioenergiedorf Schlöben eG“ gegründet, an der sich die Bürger mit Eigenkapital beteiligen konnten. Seit nun mehr als zehn Jahren werden große Teile unserer Gemeinde das ganze Jahr über eine Biogasanlage, Blockheizkraftwerke und eine Hackschnitzelanlage mit Strom und Wärme versorgt.
Mittlerweile gibt es Bioenergiedörfer an den verschiedensten Standorten. Was macht das Bioenergiedorf Schlöben besonders?
An erster Stelle steht die Loyalität der handelnden Personen, ohne die unser Bioenergiedorf so nicht möglich gewesen wäre und die von Beginn an überzeugt von dem Projekt waren.
Außerdem konnten sich die Bewohner durch die Gründung der Genossenschaft an dem Projekt beteiligen und dieses aktiv mitgestalten. Das sorgt für große Motivation und gegenseitiges Verständnis – auch wenn Sonntagfrüh der Trecker direkt vor dem Haus herfährt. Die Verbundenheit und Identität mit dem eigenen Ort sind bei unseren Bürgern besonders hoch. Das schätzen wir sehr und ich denke, das zeichnet unsere Gemeinde auch aus. Natürlich hat die Nutzung erneuerbarer Energiequellen auch einen großen ökologischen Nutzen. Das stellt einen großen Anziehungspunkt dar. Besonders für junge Familien. Auch die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas befreit uns von den damit verbundenen Preisrisiken.
Mit der größte Gewinn unseres Bioenergiedorfes ist aber die regionale Wertschöpfung. Wir produzieren unseren benötigten Strom selbst. Die Energiekosten fließen nicht ab und die Wertschöpfung geschieht hier direkt vor Ort. Dadurch werden unsere ländlichen Strukturen gestärkt, Arbeitsplätze geschaffen und Transportwege verkürzt.
Während des Ausbaus des Wärmenetzes wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, sich an das kommunale Glasfaser-Breitbandnetz anzuschließen. So können wir eine stabile Internetversorgung herstellen. Gerade in Zeiten von Corona und Home-Office haben wir davon sehr profitiert.
Sie haben erwähnt, dass das Agrarunternehmen Wöllmisse ein wichtiger Partner für das Projekt ist. Wie wichtig ist in Ihren Augen die Zusammenarbeit mit den heimischen Landwirten?
Ohne die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft würde unsere Gemeinde, so wie sie heute ist, gar nicht existieren. Das Agrarunternehmen ist ein wesentlicher Bestandteil des Projekts, denn es liefert die Rohstoffe, die wir zur Erzeugung von Strom und Wärme brauchen – und das zu fairen Preisen. Die enge Zusammenarbeit mit den Landwirten vor Ort bildet natürlich auch eine optimale Basis für Kommunikation. Es findet ständig ein reger Austausch zwischen den Bewohnern der Gemeinde und den Landwirten statt.
Ich würde die Kooperation mit den Landwirten als Wechselwirkung bezeichnen. Matthias Klippel ist der Geschäftsführer des Agrarunternehmens. Gemeinsam bilden wir den Vorstand der Genossenschaft und arbeiten mit vielen weiteren Beteiligten an der stetigen Weiterentwicklung unseres Bioenergiedorfes.
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