Donnerstag, 2.Juni 2022

Mit Herzblut für die Landwirtschaft und Verbraucher

Mitten in der ländlichen Idylle von Oberschwaben in Achstetten, im Landkreis Biberach, liegt der in fünfter Generation geführte Familienbetrieb von Familie Magg-Riedesser. Was früher ein Rinder- und Milchviehbetrieb war, ist heute ein Hof mit den Schwerpunkten Schweinemast und Biogas in einer Kreislaufwirtschaft. Den Betrieb mit heute knapp 100 Hektar, einer 500 KWh Biogasanlage und 1.200 Schweinemastplätzen hat Martina Magg-Riedesser von ihrem Vater übernommen. Während Martina sich vor allem um Feld und Stall kümmert, ist ihr Mann Karl für die Buchführung und Bioenergie verantwortlich. Auch die beiden Söhne, Jonas und Julian, helfen am Wochenende auf dem Hof.

Martina ist eines durch und durch: eine Powerfrau. Neben der Arbeit auf dem Hof engagiert sie sich im Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen mit dem Ziel, die Wertschätzung gegenüber Landwirten und landwirtschaftlich erzeugten Produkten zu erhöhen. Besonders am Herzen liegt ihr das Konzept „Lernort Bauernhof“. Seit über 30 Jahren führt sie Schulklassen über ihren Hof, damit die Kinder von klein auf lernen, wo Lebensmittel herkommen und wie diese hergestellt werden.

Wir haben mit Martina über die Entscheidung gesprochen, Landwirtin zu werden, über die Hürden, die damit verbunden waren, die Zukunft der Schweinemast und ihre Hingabe für die Öffentlicheitsarbeit.

Martina, wieso sind Sie Landwirtin geworden?

Als ich in der zehnten Klasse war, ist mein Vater sehr krank geworden. Da war die große Frage, wie es jetzt weitergeht. Da meine beiden älteren Schwestern schon am Studieren waren, habe ich mich neben der Schule um den Hof gekümmert. Das hieß dann morgens in die Schule, nachmittags auf dem Hof arbeiten und am Wochenende lernen. Ich habe dann relativ schnell die Entscheidung getroffen, den Hof zu übernehmen und nach dem Abitur eine Ausbildung zur Landwirtin zu machen. Ansonsten hätte ich wahrscheinlich Tiermedizin studiert. Ich hatte aber nie das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Die Entscheidung, Landwirtin zu werden, habe ich nie bereut.

Wie war es für Sie als Frau, den Weg in die Landwirtschaft zu gehen?

Ich habe mich in der Landwirtschaft etabliert, aber dafür musste ich auch kämpfen. Vor allem als Frau war das nicht immer einfach. Ich war zu der Zeit meiner Ausbildung die einzige Frau in der Landwirtschaftsschule – ich galt immer als die Streberin und war das Lieblingskind der Lehrer. Ich bin schon in jungen Jahren Vorsitzende der Landjugend gewesen und hatte mit 23 Jahren einen Sitz im Kreisbauernverband.

Man kennt mich, auch hier in der Gegend. Aber das hat viel Zeit und Energie gekostet. Mir war es immer wichtig, Verständnis bei den Menschen zu erzeugen und die Hintergründe der Landwirtschaft zu erklären. Daher ist die Öffentlichkeitsarbeit auch das Schwerpunktthema bei meiner Arbeit im Bauernverband. Meine Ansätze stoßen nicht immer auf offene Ohren, aber die positiven Rückmeldungen auf mein Engagement zeigen mir, dass es der richtige Weg ist.

Mit welcher Philosophie führen Sie Ihren Betrieb?

Der wichtigste Grundsatz ist für mich: Es gibt immer einen Weg! Man sollte immer versuchen das Positive zu sehen – auch wenn das nicht immer leicht ist. Aber nach jeder schwierigen Phase kommt auch wieder ein Lichtblick. Ich vergleiche das immer gerne mit dem Sonnenuntergang, wie ein Lichtblick am Horizont.

Wie denken Sie über die Veränderungen in der Landwirtschaft?

Bei den ganzen Restriktionen, Dokumentationen, Verordnungen und Vorschriften frage ich mich schon manchmal, ob es noch das ist, was ich eigentlich mal gemacht habe; was ich mir damals vorgestellt habe und ob ich das noch will. Ich bin sehr froh darüber, dass meine Söhne beide erstmal was anderes machen und Berufen außerhalb der Landwirtschaft nachgehen. Ich habe aber auch darauf bestanden, dass jeder erst eine andere Ausbildung macht. Trotzdem arbeiten beide am Wochenende auf dem Hof mit. Jonas ist mit zwei Jahren schon auf dem Traktor mitgefahren. Er befasst sich zum Beispiel mit der Düngebedarfsberechnung und der Anbauplanung. Julian kümmert sich um die anfallenden Reparaturen auf dem Hof. In irgendeiner Form wird der Betrieb bestimmt weitergeführt. Wahrscheinlich nicht mit Schweinen, aber das Potential ist da, Maschinen sind da. Das Familienerbe ist zu wichtig, als dass wir das hier alles aufgeben könnten.

Wie schätzen Sie die Zukunft der Schweinemast in Deutschland ein?

Ich investiere in die Schweinemast kein neues Geld mehr. Das ist einfach unwirtschaftlich. Aktuell vergrößere ich lediglich das Platzangebot im Rahmen der Tierwohlprämie. Ich habe das Gefühl, vor allem während der Pandemie, dass konventionelle Schweinemastproduktion, wie wir sie hier betreiben, nicht mehr erwünscht ist. Ständig muss man die Kosten-Nutzen-Relation aufs Neue abwiegen. Wir weigern uns überhaupt nicht mehr Tierwohl zu machen, aber es muss auch irgendwo bezahlt werden. Auch der Arbeitsaufwand, der sich dadurch erhöht – wie zum Beispiel durch das tägliche Einstreuen mit Stroh in den Ställen.

Lebensmittel kosten nun mal etwas und dafür möchte ich Verständnis in der Gesellschaft erzeugen. Derzeit erleben wir eine Energiekostenexplosion und die Preisschere wird immer größer. Wir betreiben hier Landwirtschaft in einem Kreislauf. Auch wenn die Getreidepreise jetzt hoch sind: Wenn man jetzt Getreide anbaut, dauert es eine gewisse Zeit, bis man dieses ernten kann. Und niemand weiß, was in ein paar Monaten passieren wird.

Es muss unterm Strich auch was für uns bleiben, damit wir unsere Familie davon ernähren können. Wir haben den Vorteil, dass wir durch die Biogasanlage ein gesichertes Einkommen haben, auch wenn die Einspeisevergütung bald ausläuft. Das Problem ist, dass der Strom immer teurer wird. Aber die Preise, die wir für unseren produzierten Strom bekommen, werden nicht angehoben.

Sie produzieren mit der Biogasanlage auch Düngerpellets. Wie funktioniert das?

Bei der Vergärung von Biomasse in der Biogasanlage bleibt ein sogenannter Gärrest zurück. Wir trocknen einen Teil der Gärreste und stellen daraus einen hochwertigen Dünger in Form von Pellets her. Damit beliefern wir Betriebe weit über die Kreisgrenze hinaus. Der Vorteil der Düngerpellets ist, dass diesen das Wasser entzogen wird und diese dadurch viel einfacher zu transportieren sind. Außerdem sind die Produkte geruchsärmer und ermöglichen eine präzisere Düngung des Bodens. Für den Kleingebrauch, zum Beispiel für Gemüsebeete, verkaufen wir die Pellets in kleinen fünf Kilogramm Eimern in unserem Verkaufshäuschen auf dem Hof.

Was schätzen Sie an Ihrem Beruf am meisten?

Ganz eindeutig die Natur. Den Boden, den Ursprung allen Lebens. Ich bin von Haus aus im Einklang mit der Natur großgeworden. Trecker fahren ist da für mich ehrlich gesagt eher ein nötiges Übel. Ich fahre auch noch ohne GPS. Wenn die Fahrgasse mal nicht gerade war, pflegte mein Vater oft zu sagen: In der krummen Reihe wächst immer mehr. Wichtig ist mir auch ein harmonisches Familienleben und dieses in den Beruf zu integrieren.

 

 

Sie sind für Ihr Engagement bekannt. Wie genau gestaltet sich Ihre Öffentlichkeitsarbeit?

Ich bin die erste stellvertretende Kreisvorsitzende des Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen e.V. Dort versuche ich vor allem die Öffentlichkeitsarbeit voranzutreiben und die Kluft zwischen Verbrauchern und Landwirten zu schließen. Mir ist dabei vor allem ein Anliegen, Menschen die Landwirtschaft näher zu bringen, denn viele wissen nicht mehr, woher ihre Nahrungsmittel überhaupt kommen. Aus diesem Grund biete ich für Schulklassen das Projekt „Lernort Bauernhof“ an. Diese Führungen mache ich seit meiner Ausbildung, seit 1990. Also jetzt schon über 30 Jahre. Früher hatten wir noch Milchvieh auf dem Hof. Da gab es dann Führungen mit Übernachtungen und Aktionen wie Kühe melken für die Kinder.

Momentan mache ich zehn bis 15 Aktionen pro Jahr. Für Kinder aus Kitas, Grundschulen und auch für Klassen aus der weiterführenden Schule. Mein Konzept ist dabei: Mit allen Sinnen lernen und aktiv begreifen. Wir machen mit den Kindern dann immer eine Bauernhofrallye und versuchen ihnen die Landwirtschaft als Urproduktion näher zu bringen. Die Kinder sollen von klein auf lernen, wo Lebensmittel herkommen und wie diese hergestellt werden.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die Versorgungssicherheit in Deutschland ein?

Das ist ein großes globales Problem. Wenn wir Landwirte Schwierigkeiten haben, Futterkontrakte zu bekommen, dann ist in meinen Augen die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet. Ohne Futter für die Schweine, brauche ich keine neuen Tiere einzustallen. Mehl kostet mehr als 40 Prozent mehr, in vielen Supermärkten gibt es kein Sonnenblumenöl mehr und es ist schwer, gentechnikfreies Soja zu bekommen. Der Krieg hat unheimliche Auswirkungen, gerade im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung. Dieses Thema beschäftigt uns auch im Bauernverband. Was ist wichtiger? Ernährungssicherheit oder das Klima? Gerade vor diesem Hintergrund macht es mich furchtbar traurig, wenn ich sehe, wie viele Lebensmittel weggeschmissen werden. Wir leben hier in einer Wohlstandsgesellschaft mit einer Wegwerfmentalität. Man kann abends um zehn Uhr einfach nicht erwarten, dass man noch eine volle Auswahl an frisch gebackenen Broten bekommt. Wir müssen lernen, dass Lebensmittel etwas wert sind und dafür auch einen angemessenen Preis bezahlen. Vor allem in der Urproduktion, bei uns Landwirten, muss mehr Geld ankommen. In Pandemiezeiten habe ich für ein Kilogramm Schweinefleisch 1,20 Euro bekommen, während die Verbraucherpreise gleichgeblieben sind. Die Gewinnmarge im Schlachtgewerbe und im Handel ist groß. Wir Landwirte sind dabei die Verlierer.

Ich bin Chefin vieler Arbeitskreise im Kreisbauernverband. Dort merke ich, dass die Frustration der Landwirte sehr hoch ist. Die Luft ist raus, die Landwirte haben resigniert, die wollen einfach nicht mehr.

Daher müssen wir mit allen an einen Tisch: Schlachtbranche, Lebensmitteleinzelhandel, Politik und wir Landwirte. Wir müssen uns besser vernetzen. Das sind Themen, die wir nicht vernachlässigen dürfen. Ohne uns Landwirte kann es keine Regionalität geben.

Was Gibt es eine Botschaft, die Sie dem Verbraucher gerne mitgeben möchten?

Gerade in dieser schwierigen Zeit, in dieser Kriegszeit, womit ja niemand gerechnet hat, und die Lebensmittelpreise überall steigen, ist es umso wichtiger, dass es uns Landwirte gibt und dass wir Produzenten überhaupt die Grundlage für Nahrungsmittel bieten können. Wir produzieren qualitativ hochwertige Lebensmittel. Und deswegen brauchen wir die Wertschätzung der Verbraucher und den entsprechenden Preis an der Ladentheke, der dann hoffentlich aus uns zugute kommt.


Mehr Einblicke in die Arbeit von Martina gibt´s auf YouTube:

(Zum Download das Interviews oben auf das Bild klicken.)

 

 

 


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