Auf mehr als sechs Millionen Hektar bauten Landwirte in Deutschland im Jahr 2021 Getreide an. Geerntet wurden ganze 42,1 Millionen Tonnen. Nicht nur als Tierfutter, sondern vor allem auch zum Weiterverkauf sind Weizen, Roggen, Gerste und andere Feldfrüchte eine wichtige und oftmals die größte Einnahmequelle für Landwirtschafts-betriebe. Doch was passiert mit dem Getreide nach der Ernte? Verkauft wird es beispielsweise an regionale oder auch überregionale Mühlen. Manche Landwirte handeln ihre Ernten auch an speziellen Getreidebörsen und verkaufen es am Weltmarkt. Eine zentrale Rolle spielen in Deutschland die Landhandelsunternehmen. Sie kaufen Getreide direkt vom Landwirt an und vermarkten es.
In diesem Markt gibt es zunehmend digitale Lösungen, die Anbieter und Käufer von Getreide zusammenbringen wollen. Eines dieser Unternehmen, das sich mit digitalem Getreidehandel beschäftigt, ist das in Hamburg ansässige cropspot. Einer der Gründer ist Maximilian von Weichs. Der studierte Landwirt stammt selbst von einem Ackerbaubetrieb in Ostwestfalen und hat einige Jahre in einem großen Handelshaus in Hamburg Getreide vermarktet. Der 34-jährige kennt das Geschäft also von beiden Seiten. Wir wollten von ihm wissen, weshalb Landwirte sich mit neuen Wegen der Vermarktung beschäftigen sollten.
Herr von Weichs, sie haben Agrarwissenschaften studiert und nach ein paar Jahren in einem traditionellen Handelshaus den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Was war ihr Antrieb?
MvW: Nach dem Studium in Göttingen habe ich im Getreidehandel angefangen und bei einem Hamburger Handelshaus zuletzt das Geschäft für Schleswig-Holstein und Niedersachsen verantwortet. Dort habe ich Tobias Fallmeier kennengelernt. Wir haben uns angefreundet und zusammen cropspot gegründet.
Wir haben uns immer wieder die Frage gestellt, warum so viele Dinge, wie z.B. Reisen und Autos, auf digitalem Wege angeboten, verglichen und gehandelt werden, aber im Agrarhandel alles sehr analog und intransparent abläuft. Zusätzlich konnten wir im Arbeitsalltag viele kleine und große „Baustellen“ ausmachen, die wir lösen wollten. In diesem Kontext wurden unzählige Abende und Wochenenden neben dem Beruf für die Konkretisierung, Planung und letztliche Umsetzung der Idee cropspot investiert.
Was genau machen Sie anders?
MvW: Der Verkauf landwirtschaftlicher Waren läuft häufig sehr regional und in einem engen, langjährigen Netzwerk. Wir wollen und werden hieran nichts ändern. Das heißt, der Verkauf läuft noch immer so wie vor cropspot, wir bieten aber eine zusätzliche Möglichkeit Ware zu platzieren, Preise zu vergleichen und so die Wertschöpfung zu erhöhen.
Wie funktioniert das?
MvW: cropspot ist ein digitaler Marktplatz für Getreide, Ölsaaten und Nischenkulturen. Wir sind unabhängig, transparent und überregional aktiv. Bei uns erhalten die Landwirte nicht nur eine neutrale Sicht auf die Märkte, sondern auch einen echten Preisvergleich und einen größeren Hebel zur Steigerung der Wertschöpfung ihrer Vermarktung.
Durch die Platzierung Ihrer Ware auf cropspot bekommen registrierte Benutzer automatisch passende Partien angezeigt. Über Such- und Filterfunktionen finden Käufer und Verkäufer zusammen. Die Abwicklung erfolgt in einem Chat. Die Vorteile sind enorm, da regionale Strukturen überwunden werden, Preise transparent einsehbar sind und die Waren damit für alle Involvierten bestmöglich gehandelt werden können.
Welche Vorteile haben Landwirte genau, wenn sie ihre Ernte digital vermarkten?
MvW: Für Landwirte ist es oft herausfordernd bei der volatilen Marktlage den Überblick zu behalten und ihre Ware bestmöglich zu veräußern. Denn der Agrarmarkt ist geprägt von einer intransparenten Preisfindung und kämpft mit kostenintensiven Abwicklungsprozessen. Darüber hinaus sind Landwirte mit sich stetig ändernden politischen und sozialen Herausforderungen konfrontiert.
Unser Ansatz ist der, dass wir auf Transparenz bzw. die Vergleichbarkeit von regionalen und überregionalen Angeboten setzen. Mit uns bekommt jeder Landwirt die Möglichkeit seine Waren unverbindlich, deutschlandweit anzubieten und entsprechende Angebote zu vergleichen. Festgefahrene, intransparente und ineffiziente Vermarktungswege bekommen auf diese Weise „frischen Wind“, zusätzlichen Wettbewerb und es entsteht eine Alternative zum herkömmlichen Geschäftspartner.
Welchen Vorteil sehen Sie im digitalen Getreidehandel? Möchten Sie auch Landwirte der „älteren“ Generation gewinnen?
MvW: Ziel ist es, transparente Marktbedingungen zu schaffen, den Handelsradius zu erweitern und die Wertschöpfung pro gehandelter Tonne zu steigern. Es gibt so gut wie keine Einstiegshürden und wir haben Nutzer jeden Alters und jeder Betriebsgröße. Ab 25 Tonnen Handelsvolumen ist ein Geschäft über uns möglich. Trotz digitaler Plattform steht ein motiviertes und hilfsbereites Team junger Landwirte und erfahrener Agrarhändler hinter cropspot, das seinen Nutzern sowohl bei den ersten Schritten als auch im späteren Verlauf mit Handelsexpertise und individuellen Empfehlungen zur Seite steht.
Die Preise für landwirtschaftliche Produkte sind in den letzten Monaten teilweise explodiert. Hohe Energiekosten und Ausgaben für Dünger und andere Betriebsmittel belasten die Landwirtschaftsbetriebe. Wie ist aus Ihrer Sicht die aktuelle Lage am Getreidemarkt zu bewerten?
MvW: Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine treiben aktuell die physischen und börslichen Marktpreise. Auch die Großwetterlage auf dem amerikanischen Kontinent trägt zu grünen Vorzeichen auf den Handelsniveaus für Getreide und Ölsaaten, sowohl für die alte als auch für die neue Ernte bei. Dem entgegen steht eine grundsätzlich sehr auskömmliche Bewertung der internationalen Angebots- und Nachfragesituation. Insgesamt sehen wir, ungeachtet der weiteren Entwicklungen im politischen und klimatischen Kontext, die neue Ernte bereits heute auf einem sehr attraktiven Preisniveau, zu dem Vorkontrakte in Erwägung gezogen werden sollten. Das allgemeine Phänomen der Wettermärkte wird in den nächsten Wochen langsam anlaufen und damit bleiben die Preisnotierungen volatil mit positiven Tendenzen.
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