Montag, 12.Juni 2023

Bierland Franken: Von Mönchen, alten Handelswegen und handwerklicher Braukunst

Oberfranken ist die Region mit der höchsten Brauereidichte – weltweit! Kaum verwunderlich also, dass Bier und Genuss dort großgeschrieben werden. Mit Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit und vielem mehr setzt sich ein eigens gegründeter Verein – „Bierland Franken“ – seit mehr als 20 Jahren für die Bewahrung und Verbreitung der fränkischen Bierkultur und -vielfalt ein. Über 180 Brauereien sowie 120 Fördermitglieder gehören laut eigenen Angaben aktuell dazu. Vorstandsmitglied Dr. Bernd Sauer hat unsere Fragen rund um die Geschichte und Bedeutung der Braukunst und des Biers beantwortet.

 

Wie kommt es, dass die Bierkultur gerade in Franken so stark ausgeprägt ist?

BS: Die Ursache für den Weltrekord ist in der Vielzahl handwerklicher Brauereien begründet, die es in Oberfranken gibt. Schon im Jahr 1949 hatte Oberfranken mit insgesamt 520 handwerklichen Brauereien (Bayern: 1.191) wesentlich mehr Brauereien als im übrigen Bayern (Quelle: Betriebsstatistik der Bayerischen Handwerkskammern). Damals waren 43,6 Prozent aller bayerischen Brauereien in Oberfranken, heute sind es immer noch 34,7 Prozent. Nach dem Grund, warum es in Oberfranken so viele handwerkliche Brauereien gibt, muss also in der Zeit vor dem Jahr 1949 gesucht werden.

Es gibt mehrere Entwicklungslinien, die die außerordentliche Brauereidichte Oberfrankens erklären können. Eine wesentliche Entwicklungslinie lässt sich auf die Vergabepraxis der Braurechte im Bamberger Hochstift zurückführen, das vom 11. Jahrhundert bis zur Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts bestand. Das deckt heute ziemlich genau die räumlich größte Konzentration von Brauereien in Oberfranken ab, also rund um Stadt und Landkreis Bamberg und Teile der daran angrenzenden Landkreise. Man muss dazu wissen, dass die Bier- und Schanksteuer jahrhundertelang eine sehr wichtige Einnahmequelle war und deswegen das Recht, Bier zu brauen, also auf seinem Grund und Boden Veredelungsbetriebe anzusiedeln, bis zur Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts direkt vom jeweiligen Landesherrn vergeben wurde.

Die Kunst Bier zu brauen, wird vermutlich in den Klöstern entwickelt. In Bamberg schenkte ein Domkanoniker schon Ende des 11. Jahrhunderts wohl eine Art Weizenbier an Arme aus. Bereits im 13. Jahrhundert wird Bier mit Gerstenmalz gebraut, das dann nach der Mitte des 14. Jahrhunderts den Wein als Alltagsgetränk ablöst. Da auch der Ausschank von Wein mit einer landesherrlichen Steuer verbunden war, lag es nahe, nun auch das Bier mit einer entsprechenden Abgabe zu belegen.

Interessant ist nun, dass das Brau- und Schankrecht vom Bamberger Bischof oder auch den Markgrafen von Kulmbach-Bayreuth zunächst ausschließlich an die Bürgerschaft der größeren Städte verliehen wurde und die Landbevölkerung gezwungen war, Bier in den Städten zu kaufen und entsprechende Abgaben zu entrichten.

In Franken, insbesondere im Hochstift Bamberg (zu dem auch die heutige Fränkische Schweiz gehörte) konnten sich aber keine geschlossenen Landesherrschaften ausbilden. Denn seit dem Aufstieg des Stiftsadels in die Reichsritterschaft im 16. Jahrhundert war das Hochstift von zahlreichen, oft protestantischen ritterschaftlichen Ritterschaften, Grafschaften oder auch Märkten und Städten durchsetzt, in denen der Kaiser der unmittelbare Landesherr war. Da die Bier- und Schanksteuer jahrhundertelang eine sehr wichtige Einnahmequelle war, wurde das Recht, Bier zu brauen und auszuschenken, in Oberfranken auch auf dem Land vergeben. Auch alte Zentralorte, die Sitze von ausgedehnten Pfarreien waren – wie Ützing, Frensdorf, Kirchleus – bekamen auch das Braurecht. So kam es, dass sich auch im ländlichen Raum Oberfrankens schon früh eine gewisse Brauereidichte entwickeln konnte.

Brauereien entstanden als weitere Entwicklungslinie auch entlang der alten Handelswege, von denen viele durch Oberfranken führten, z.B. von Böhmen ins Fichtelgebirge (jetzige B 303) oder die heutige Bundesstraße Bayreuth-Bamberg und Handelswege von Nürnberg nach Berlin, Coburg und Thüringen. Dafür wurden an bestimmten Entfernungspunkten Ruhe-/ Versorgungsstationen benötigt: große Gasthöfe, die die Reisenden betreuten, oft auch mit eigener Brauerei, wie zum Beispiel Brauereigasthof Grosch-Rödental, die Brauerei Hartmann in Würgau oder die Brauerei Hönig in Tiefenellern, die bis heute bestehen. Da es früher zu wenig Fleisch in Oberfranken gab, gab es früher sogar große Ochsentriebwege durch Oberfranken – der Wilde Westen fand also früher auch schon in Oberfranken statt. Auch auf diesen Wegen wurden in regelmäßigen Abständen Ruhepunkte eingerichtet, um das Vieh zu füttern und zu tränken – und um die sogenannten Ochsenkapitäne und ihre Mannschaften zu versorgen.

So verdankt Oberfranken seine heutige Biervielfalt zu einem großen Teil unseren früheren Freiherren und Grafen und dem Fürstbischof von Bamberg, die bis ins 19. Jahrhundert hinein eben für die Vergabe dieser Braurechte zuständig waren. Offensichtlich sind sie, den kleinen Strukturen in Oberfranken sei Dank damit großzügig umgegangen.

Welche Rolle spielen Handwerk und Regionalität bei der Bierherstellung in Franken?

BS: Natürlich die Schlüsselrolle! Von den aktuell 165 aktiven Brauereien in Oberfranken sind 150 handwerkliche Brauereien. Handwerkliche Braukunst, das ist das Alleinstellungsmerkmal. Und, genauso wichtig: 110 sind Brauerei-Wirtshäuser, eine absolute Besonderheit in Oberfranken.

Welche drei Orte bzw. Sehenswürdigkeiten muss man als Tourist im Bierland Franken unbedingt gesehen haben?

BS: Ich empfehle Bamberg und Umgebung mit seinen gut 65 handwerklichen Brauereien, das Kurstädtchen Bad Staffelstein mit seinen elf handwerklichen Brauereien sowie Kulmbach mit seinem Brauereimuseum. Wer es modern haben will: Die Maisels Biererlebniswelt ist auch einen Besuch wert. Und wohl die Fränkische Schweiz, auch ein Zentrum der handwerklichen Braukunst. Wer gerne wandert: unter www.bierland-franken.de gibt es hier 40 Brauereitouren.

 


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